Tiere und ihre Menschen

Fotografien Ursula Sprecher

Menschen teilen ihre Welt seit jeher mit Tieren. In Hof und Heim, als Haus- und Nutztiere. Streifzüge durch Riehener Haushalte und in die Literatur fördern ganz unterschiedliche Beziehungen zutage, die in fünf Fotografien erstaunliche Bedeutungswelten eröffnen.

Sie will lieber Eier als freie Flüge. Die Hennen aber haben Flügel, darunter ist ihr Drang zum Fliegen versteckt. (Irena Brezˇná: Die beste aller Welten)
Der kleine schwarze Hahn ist noch namenlos, die anderen Hühner von Frau L. hören auf klingende Namen wie Barbarossa, Pippi oder Kokoschka. Frau L. hat vor über zehn Jahren bei einer Wette Wachteln gewonnen. Die Katze stiess vor acht Jahren dazu, und vor sechs Jahren, als die Familie nach Riehen zog, kamen die Hühner und Bienen. Das Leben mit den Tieren lehrt Respekt und Verantwortung im Umgang mit der Natur. Alle sechs Kinder von Frau L. wissen genau, woher das Fleisch kommt, das sie grillen, und wie viel die Bienen arbeiten müssen, bis ein Tropfen Honig im Glas ist.

Als Kind wäre der Pilot gerne Maler geworden. In seiner ersten Zeichnung sahen die grossen Menschen aber nur einen Hut. Der kleine Prinz erkannte jedoch sofort die Schlange, die einen Elefanten verschlungen hatte. (Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz)
Ihn treibt ein tiefes Interesse an Biologie im Allgemeinen und am Verhalten von Reptilien im Besonderen an. 15 Riesenschlangen der Gattungen Königspython, Baumpython, Fleckenpython und Madagaskarkobra leben in den Terrarien von Herrn O. Die Beschäftigung mit den Schlangen gibt ihm Raum und Zeit, den Tag zu reflektieren und zu entspannen.

Orpheus stieg in die Unterwelt, um durch seinen Gesang und das Spiel seiner Lyra den Gott Hades zu bewegen, ihm seine Frau zurückzugeben. Seine Kunst war so gross, dass selbst der Höllenhund Kerberos nicht mehr bellte. (Vergil: Georgica)
Jon und Paul haben seit einem Jahr zwei Katzen. Eine von ihnen rennt dem Jüngeren manchmal entgegen, wenn er vom Kindergarten kommt. Besonders lieb ist ihnen der Hund ihrer Grossmutter. Mit ihm können sie wunderbar entspannen und schmusen. Ihn zu streicheln macht sie glücklich.

Keine Strasse, kein Haus. Alles nur Nebel. Und der Schein einer fernen Laterne fällt auf den Nebel, und der Nebel sieht aus wie Wasser. Als wäre mein Fenster unter dem Meer. Ich schau nicht mehr hinaus. Sonst schwimmen die Fische ans Fenster und schauen herein. (Ödön von Horváth: Jugend ohne Gott)
In den Aquarien von Herrn B. tummeln sich 22 Fischarten. Einige Charaktertiere tragen Namen wie August, Homer, Spaghetti oder Spaghettoni. Herr B. begeistert sich seit seinem zehnten Lebensjahr für Aquaristik und die Unterwasserwelt. Einige Tiere begleiten ihn schon seit Jahren. Die Fische kennen die Person, die sie füttert, genau und können bei Fremden richtig skeptisch sein. Beim Fototermin hatte August sogar Lampenfieber.

Und die Heuschrecken sahen aus wie Rosse, die zum Krieg gerüstet sind, und auf ihren Köpfen war etwas wie goldene Kronen, und ihr Antlitz glich der Menschen Antlitz. (Die Bibel: Offenbarung 9.7)
Seit zwanzig Jahren hält Frau R. alle Arten von Insekten, zu Spitzenzeiten standen über zehn Terrarien im Wohnzimmer. Sie muss nie Gassi gehen, denn ihre rund dreissig Stab- und Gespensterheuschrecken sind genügsam: Einmal alle zehn Tage eine Vase mit Brombeerblätterästen und ein wenig Wasserspray ins Terrarium geben, reicht. Die Faszination für Insekten anderen Menschen weiterzugeben, ihre Schönheit und ihre Kunst der Tarnung zu bewundern und mit ihnen ein Stück Natur im Wohnzimmer zu haben, das macht Frau R. glücklich.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2018

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