Einen Satz machen

Ursula Sprecher (Bilder) und Sabine Kronenberg (Text)

Als ‹Homo sapiens› meistern wir im Alter von rund einem Jahr nach unserer Geburt den aufrechten Gang und sprechen etwa gleichzeitig unsere ersten Worte. Seit diesen ersten Schritten lernen wir als ‹Zoon poilitikon› dank unseres grossen, dafür ausgestatteten Gehirns, unsere Bedürfnisse und Gefühle, unsere Wahrnehmungen und Gedanken mitzuteilen. Als Zweibeiner haben wir zwar nur zwei Gangarten, das Gehen und das Laufen. Darüber hinaus entwickeln wir jedoch eine Vielfalt weiterer Bewegungsabläufe, mit denen wir unser In-der-Welt-Sein erfahren und gestalten.

Viele Bewegungsabläufe haben Bezeichnungen. Nehmen wir als Beispiel springen, hüpfen, hopsen. Für die zahlreichen Variationen dieses Bewegungsablaufs gibt es ebenfalls Wörter: Hochsprung, Sackhüpfen, Herumhopsen. Er taucht als bildhafte Vorstellung auch in Redewendungen auf: «Auf dem Sprung sein» heisst, wir gehen gleich weg, «etwas überspringen» meint, wir lassen etwas aus, und «einen Luftsprung machen» bedeutet, dass wir uns freuen – auch wenn wir gar nicht wirklich springen. So umschreibt die Sprache komplexe Situationen oder emotionale Zustände in aller Kürze. Soll sie hingegen einen simplen Bewegungsablauf wie den Sprung genau beschreiben, kann sie ihm vor Komplexität kaum folgen.

BEIDBEINIGER SPRUNG AUS DEM STAND MIT ANSCHLIESSENDER BEIDBEINIGER LANDUNG IM STAND
Der Bewegungsablauf lässt sich in drei Phasen gliedern: Absprung, Flug und Landung.1 Um uns beim Absprung aus dem Stand nach oben abdrücken zu können, müssen wir zunächst in die Hocke gehen. Die Füsse bleiben in Ruhe. Unser Kopf wird nach unten beschleunigt, was zu einer Geschwindigkeitszunahme in dieser Richtung führt. Diese Abwärtsbewegung wird mittels einer Beschleunigung nach oben abgebremst. Nach der Änderung der Geschwindigkeitsrichtung wird diese Beschleunigungsrichtung beibehalten. Jetzt werden auch die Füsse nach oben beschleunigt und heben vom Boden ab. Weil wir uns in der Luft befinden, wird unser Körper aufgrund der Gravitation nach unten beschleunigt. Haben wir den höchsten Punkt der Flugkurve überschritten, fallen wir wieder nach unten. Wegen der Erdbeschleunigung nimmt die Geschwindigkeit zu. Die Füsse kommen auf dem Boden auf, werden sehr abrupt abgebremst und sind dann in Ruhe. Auch unser Kopf wird abgebremst, jedoch wesentlich sanfter. Die abwärts gerichtete Geschwindigkeit des Kopfes führt dazu, dass wir die Hüft-, Knie- und Sprunggelenke beugen und in die Hocke gehen. Unser Kopf ist annähernd in Ruhe, wenn der unterste Umkehrpunkt der Bewegung erreicht ist. Dann richten wir uns wieder zum aufrechten Stand auf, weshalb der Kopf nach oben beschleunigt wird, allerdings abgebremst, bis die Ruheposition erreicht ist.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2019

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